21.9.2020

Der Einfluss von Arbeit auf die Klimakrise – Optionen für zukunftsorientierte Unternehmen

Es ist noch nicht lange her, da bewegte Greta Thunbergs „Fridays for Future“-Bewegung eine breite Öffentlichkeit. Heute ist es die Covid-19-Krise, die unser Leben in einem bisher undenkbaren Maß beeinflusst. Es darf angenommen werden, dass weltweit heuer mehr Geld für Corona-Rettungsmaßnahmen aufgestellt wird, als das für Klima-Rettungsmaßnahmen in den nächsten Jahren je vorgesehen war. Und das obwohl die Klimakatastrophe langfristig viel größeren Schaden in der Welt anrichten wird.

Wahrscheinlich sind wir also gut beraten so manches Learning aus Corona-Zeiten für die Bekämpfung der Klimakrise einzusetzen und die eine Krise nicht mit Maßnahmen, die die andere befeuert, zu „behandeln“. Wir alle haben jedenfalls gesehen, dass es sehr wohl möglich ist, unpopuläre Maßnahmen, wie die Beschränkung von Mobilität und Konsum, umzusetzen, wenn es nötig ist. Diese Learnings können in der Klimakrise hilfreich sein.

Denn zur Eindämmung der Klimakatastrophe, werden wir ein noch entschiedeneres Vorgehen brauchen. Im Bau- und Immobiliensektor liegt einer der größten Hebel. In diesem Artikel wollen wir einen breiteren Blick auf die Auswirkungen von Arbeit an der Klimaveränderung thematisieren.

Im Teil 2 dieses Artikels stellen wir "Fünf Prämissen für zukunftsfähige Gebäude" auf.

Corona-bedingte New-Work-Lernkurve nutzen und weiterdenken

Mit Blick auf unsere Arbeitswelt überschlagen sich die Entwicklungen momentan: Home Office wird zum Standard erklärt, Anwesenheit wird nicht mehr mit Leistung verknüpft und die unterschiedlichsten Möglichkeiten von Mobile Work wachsen in den Himmel. Es scheint, als ob wir Büroimmobilien künftig gar nicht mehr in ihrer bekannten Form brauchen. Damit müssen wir auch nicht mehr ihre Umweltauswirkungen bedenken. Es scheint, als ob uns damit der Einstieg in eine New World of Work und in ein neues Klimazeitalter gelingt. Doch die Unsicherheit, was von all der neuen Agilität im Arbeitsleben bleibt, ist noch groß.

Klimaziel für Gebäude: Minus 66 Prozent

Wenn wir auf die untenstehende Grafik des Bundesumweltministeriums Deutschland blicken, können sich manche Unternehmen bereits vorstellen ihr künftiges Bürogebäude 66 Prozent kleiner zu bauen und durch Mobile Work den Pendelverkehr ins Büro um 40 Prozent zu reduzieren. Veränderung ist also möglich!

Doch damit erreichen wir erst einen Teilschritt und vergessen, dass wir durch die neu gebauten, kleineren Gebäude die COEmissionen erstmal nur noch weiter steigern. De facto darf kaum noch neu gebaut werden, um die Emissionsziele der Bundesregierung bis 2030 zu erreichen. Der Erfolg liegt in der Sanierung des Gebäudebestandes.

Diese Grafik des Bundesumweltministeriums Deutschland spricht eine eindeutige Sprache: Im Bau- und Immobiliensektor gibt es noch sehr viel zu tun, um die CO2-Emissionsziele bis 2030 zu erreichen.

Das Jahr der nachhaltigen Gebäude und Arbeitswelten

Wir arbeiten nach dem Prinzip, dass ein Gebäude nur nachhaltig ist, wenn es bedarfsgerecht errichtet und genutzt wird und seine Umweltauswirkungen minimiert werden. Dazu ist es nötig einen Bezug zwischen der Unternehmensstrategie unserer KundInnen und dem Gebäude herzustellen.

Als Beratungsunternehmen für identitätsstiftende, nachhaltige Gebäude, Prozesse und Arbeitswelten legen wir unseren Fokus jetzt noch einmal verstärkt auf den großen „CO2-Hebel“, den die Bau- und Immobilienbranche in der Hand hat. Wir wollen mit unseren KundInnen gemeinsam einen möglichst großen Beitrag in der Bekämpfung der Klimakrise leisten.

Mit dem M.O.O.CON Öko:map Tool Arbeit neu denken

Viele Tätigkeiten können wir heute – und in Zukunft noch mehr – völlig orts- und zeitunabhängig erledigen. Dadurch steht der Bau neuer Büroflächen in Frage. Emissionen aus Arbeit aber entstehen nicht nur im Büro, sondern überall wo wir arbeiten. In der Art wie und wo wir künftig arbeiten liegt daher ein riesengroßes Potenzial zu Erreichung der Klimaziele. Genau das machen wir ab sofort mit unserem neu entwickelten Öko:map Tool1 in unseren Kundenprojekten sichtbar. Hier ist ein plakatives Beispiel:

Im Beispiel nehmen wir den Neubau eines Bürogebäudes mit 6.000 m² Fläche am Stadtrand für 250 Mitarbeiter_Innen an. Das Öko:Map Tool1 berechnet die CO2-Emissionen (in Tonnen) pro Mitarbeiter_In pro Jahr. © M.O.O.CON, bauXund, e7Herry Consult

Das Öko:Map Tool gibt Aufschluss

Der CO2-Verbrauch von Arbeit

Unternehmen können die CO2-Emissionen ihrer MitarbeiterInnen maßgeblich beeinflussen und damit ihre eigenen Gesamt-Emissionen reduzieren. Wir erklären wieso das so ist:

Home Office: Natürlich schafft jedes Auslagern von Arbeit in einen unternehmensfremden Ort zu allererst Entlastung: weniger Flächenbedarf und weniger Energieverbrauch im Büro. Reduziert wird dadurch jedoch noch nichts – nur vom Unternehmen zu den MitarbeiterInnen verschoben. Es gilt also eine richtige Mischung für Home Office und Büro zu finden – für das Unternehmen, die Menschen und die damit verbundenen Emissionen. Die leitende Frage ist: Wieviel Leerstand können wir uns leisten? Büros stehen zur Normalarbeitszeit 30 bis 50 Prozent leer und Wohnungen zu 50 Prozent. Die Frage, die sich verantwortungsbewusste Unternehmen stellen müssen, ist: Wie können wir bestehende Orte effizienter zur Arbeit nutzen?

Pendlermobilität: In der Frage wo gebaut wird und wie die MitarbeiterInnen zur Arbeit kommen liegt einer der größten Hebel. Bieten Unternehmen ihren Beschäftigten das Home Office als Arbeitsort an, besteht Potenzial Pendlerwege zu vermindern, da man nicht jeden Tag ins Büro fahren muss. Auch die Frage welches Verkehrsmittel am attraktivsten ist, können Unternehmen mitbestimmen: Werden Parkplätze am Firmengelände zur Verfügung gestellt? Wenn ja, um welchen Preis? Werden öffentliche Verkehrsmittel durch Freifahrten gefördert oder in die Firmenflotte investiert? Und welchen Status vermitteln Dienstautos im Unternehmen?

Gebäude, Baustoffe und Verbräuche: Weniger bauen, heißt weniger Baustoffe. Je weniger Baustoffe benötigt werden, umso weniger Energie steckt in der „Herstellung“ eines Gebäudes. Und je weniger Energie wir im Gebäude verbrauchen, desto eher kann sie am und mit dem Gebäude erzeugt werden. Unternehmen würden damit von reinen VerbraucherInnen zu ErzeugerInnen werden.

Dienstreisen: Einer der höchsten Werte in unseren Öko:map Auswertungen (siehe Grafik oben). Hier schaffen manche Unternehmen sogar Werte bis zu 10 t pro MitarbeiterIn pro Jahr. Hier ist ein Umdenken nötig. Videokonferenzen können viele Dienstreisen sinnvoll ersetzen – sie sparen Geld und Emissionen. Den richtigen Mix zwischen analoger und virtueller Meeting-Kultur zu finden ist der Schlüssel zum Erfolg. Und die Corona-Zeit war und ist eine sehr gute Lehrmeisterin.

Ernährung: Eine betriebliche Kantine kann Verantwortung ausdrücken. Das was am Speiseplan steht, verursacht Emissionen. Es ist nicht egal ob regional, saisonal und vegetarisch gekocht wird. Die Wirkung ist jedenfalls eine große, wenngleich sie auch nicht nur durch das Management eines Unternehmens zu beeinflussen ist. Hier beginnt die Mitverantwortung der Beschäftigten; genauso wie am Weg vom Büro nachhause.

Big things and slow things first

Mobilität ist das Thema unserer Zeit. Durch die Einschränkungen der Pandemie lernen wir eine neue, bewusstere Mobilität. Wir lernen: Nicht alles muss von Angesicht zu Angesicht passieren und das Büro ist nicht für jede Tätigkeit der einzig richtige Ort. Es gibt viele Möglichkeiten zu arbeiten. Und die Wahl dieser Arbeitsorte beeinflusst den größten Hebel: die Mobilität.

Studiert man die Zahlen aus dem Öko:map Tool, kann man vermeintlich schließen, dass das Gebäude für die Arbeit kein großer „Emissions-Hebel“ ist. Doch mitnichten! Frei nach Mathis Wackernagel 2: Slow things first! Denn die Gebäude, die wir heute errichten, werden auch dann noch stehen, wenn kein Auto mit Verbrennungsmotor mehr durch unsere Straßen fährt.

Lesen Sie weiter!

  • Im Teil 2 unseres Leitartikels stellen wir Fünf Prämissen für zukunftsfähige Gebäude in der Klimakrise auf.
  • Wir widmen uns in mehreren Folgeartikeln intensiv dem Thema „Gebäude neu denken in Zeiten der Klimakrise“ und holen regelmäßig Best Practices und namhafte ExpertInnen vor den Vorhang.
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1 Das ist eine Liste aller Quellen, die wir für das Öko:Map Tool herangezogen haben:

CO2 Datenbasis für Verbräuche:
Deutschland: Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle „Merkblatt zu den CO2-Faktoren“ 2019
Österreich: Österreichisches Institut für Bautechnik, „OIB-Richtlinie 6“, 2011; Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft, Neubau Büro- und Verwaltung, Steckbrief ENV 1.1 und ENV 1.2, 2020

CO2 Datenbasis für Baustoffe/ Materialien:
baubook GmbH, Ökobilanzrechner eco2soft (www.baubook.info/eco2soft/), 2020

CO2 Datenbasis für Mobilität:
Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie „Österreich unterwegs 2013/2014“, 2014
RFI-Faktor Annahme 2,7

CO2 Datenbasis für Ökopersona:
Publikation des Bundesumweltamtes; Katharina Schächtele/ Hans Hertle „Die CO2-Bilanz des Bürgers – Recherche für ein internetbasiertes Tool zur Erstellung von CO2-Bilanzen“ Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesumweltamtes, 2007 (https://www.klimaktiv.de/media/docs/Studien/20642110_uba_die_co2-bilanz_des_buergers.pdf)

 

2 Mathis Wackernagel: Schweizer Vordenker im Bereich Nachhaltigkeit und Präsident der Organisation Global Footprint Network

Lesen Sie auch den zweiten Teil dieses Artikels.

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